Vogelspinnen in Deutschland, der Schweiz und Österreich? Spinnen mit riesigen Giftklauen in Frankreich und Italien, die in Erdhöhlen ihrer Beute auflauern wie ihre tropischen Verwandten - gibt es das? Die Antwort auf diese Frage lautet: jawohl - oder mindestens fast.
Es gibt in Mitteleuropa zwar keine "echten" einheimischen Vogelspinnen (als Vogelspinnen gelten Spinnen aus der Familie der Theraphosidae), aber es gibt bei uns tatsächlich eine einzige Spinnenfamilie, die zu den Vogelspinnenartigen (Mygalomorphae) und damit zu den engsten Verwandten der Vogelspinnen gehört, und das sind die Tapezierspinnen (Atypidae).
Die Tapezierspinnen sind in Mitteleuropa nur mit 3 Arten vertreten (Atypus affinis, Atypus muralis, Atypus piceus), und obwohl sie nicht sehr gross werden (ca. 1.5 - 2 cm), ist ihnen ihre Verwandtschaft mit den Vogelspinnen deutlich anzusehen.
Ihre Giftklauen - die "Cheliceren" - sind im Verhältnis zu ihrem Körper riesig, und wie bei allen Vogelspinnenartigen, stehen sie fast parallel zueinander mit den Spitzen nach vorn gerichtet.
Bei den meisten anderen Spinnen sind die Spitzen der Cheliceren nach innen gerichtet, sodass sie wie mit einer Zange zubeissen können.
Das Gift von Atypus Spinnen ist für Menschen zwar nicht gefährlich (sofern keine allergische Reaktion erfolgt), aber aufgrund der Grösse der Giftklauen kann ein Biss durchaus schmerzhaft sein.
Die Giftklauen unserer "kleinen Vogelspinne" sind wahrlich furchteinflössend: sie machen beinahe ein Drittel der Körpergrösse aus!
Und auch die Lebenserwartung der Familie Atypus ist beeindruckend; wie ihre exotischen grossen Verwandten leben sie nämlich deutlich länger, als unsere herkömmlichen Spinnen, welche selten älter als 1-3 Jahre alt werden. So können Atypus Weibchen bis 10 Jahre alt werden.
Jedoch bekommt man Taperzierspinnen fast nie zu Gesicht, denn wie die meisten Vogelspinnen, leben auch Tapezierspinnen in Erdhöhlen. Diese "tapezieren" sie mit Seide; das Netz ist somit wie ein "Strumpf" bzw. Schlauch angelegt. Am oberen Ende geht die Höhle in den Fangschlauch über, der knapp über der Erdoberfläche liegt, und mit eingewobenem Material wie Blättern gut getarnt ist.
Läuft ein Beutetier, z.B. ein Insekt, darüber, wird es von der Spinne mit ihren riesigen Giftklauen durch das Netz hindurch ins Innere des Fangschlauchs gezerrt; dieser wird anschliessend wieder repariert.
Wie selten Tapezierspinnen sind, ist schwer zu sagen (in Deutschland gelten sie als bedrohte Art), da man sie aufgrund ihrer mehrheitlich unterirdischen Lebensweise schwer findet und fast nie sieht.
Die Spinne auf dem Foto habe ich aussergewöhnlicherweise im Hauseingang meines Ferienhauses im Tessin (Schweiz) gefunden; es hatte zuvor stark geregnet, und ich nehme an, ihre Erdhöhle war überflutet worden und sie suchte ein trockenes Plätzchen.
Nach einer kurzen Foto-Session, hab ich das Tierchen wieder in meinem Garten freigelassen.
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